Mit dem Förster durch den Stadtwald
Von Petra Cain
Zu unserem Spaziergang durch das Rosental mit Revierförster Martin Opitz trafen wir uns Mitte April gerade noch rechtzeitig im mit Macht angebrochenen Frühling. So konnten wir ohne die Sommerbelaubung Baumstämme bis in die Kronen verfolgen und den Waldboden im Unterholz ausmachen. Unsere kleine Wanderung ließ uns den Stadtwald mit anderen Augen sehen. Genießt man sonst das frische Grün und lässt es sich in der Sonne gutgehen, ohne weiter über die Umgebung nachzudenken, sahen wir nun mit den Augen des Försters, wieviel Planung, Arbeit und Mittel aufgewandt werden müssen, um Spaziergängern, Spielplatzbesuchern, Joggern und Fahrradfahrern eben diesen unbeschwerten Genuss zu ermöglichen.
Zuständigkeiten
Zu unserem Erstaunen erfuhren wir, dass der Revierförster gar nicht für das gesamte Rosental verantwortlich ist. Zwar führt das Amt für Stadtgrün und Gewässer die Oberaufsicht, doch sind die Leipziger Grünflächen in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt. Die großen Wiesen im Rosental werden zu den Parks gezählt und sind, wie die anderen Leipziger Parks, dem Eigenbetrieb für Stadtreinigung zugewiesen. Für eine Parklandschaft gelten andere Regeln als für den Wald, daher wird hier z.B. der Rasen ab und zu gemäht, das Laub entsorgt und die Aufstellung der orangenen Abfallbehälter organsiert. Die Grenze bildet der Weg am Waldrand. Jenseits des Weges im Wald gibt es aber ebenfalls genug zu tun.
Planen für die Zukunft
Wer sich um ein Waldgebiet kümmert, muss langfristig planen und kurzfristig reagieren. Der Auwald im Rosental ist kein natürlich entstandenes Waldgebiet, er wird seit vielen Generationen von Menschen gestaltet. Fanden Veränderungen statt, so steckte immer das Nutzungsinteresse der Bevölkerung dahinter. So wandelte sich die sogenannte Mittelwaldbewirtschaftung mit mittelhohen Bäumen für Feuerholz und Mastfrüchte, etwa Eicheln für die Schweineherden, seit circa 1870 in eine Hochwaldbewirtschaftung mit Bäumen für Bauholz. Dieser Umstellung fiel die Stieleiche zum Opfer, die nicht so hoch aufwächst und unter den Schatten der Hochwaldbäume nicht mehr gedeihen konnte. Ihr Anteil am Baumbestand ging von einstmals 60% auf heute 9% zurück. Langfristig versucht man jetzt, die Stieleiche wieder zu etablieren – und das wird Generationen dauern. Martin Opitz zeigte uns schon vor 20 Jahren gepflanzte Stieleichen im hinteren Rosental, nahe der Leutzscher Allee. Beeindruckende Bäume sind da noch nicht herangewachsen. Nebenan ist eine lichte Fläche umzäunt, die erst vor kurzem wieder mit Stieleichen bepflanzt wurde. Damit die Rehe nicht die Triebknospe abfressen, muss der Zaun sein. Mit solchen Aktionen versucht man, auf lange Sicht die Zusammensetzung des Baumbestandes wieder mehr in Richtung des ursprünglichen Auwaldbiotops zu lenken. Dazu gehören auch Maßnahmen wie die sogenannte Femelung, das Fällen von Bäumen, um eine Lichtung für die nachwachsenden Bäume einzurichten. Denn momentan ist es der Ahorn, der droht, alle anderen Bäume zu verdrängen. Als das Rosental noch regelmäßig überflutet wurde, hatte diese Baumart wegen ihres flachen Wurzelgeflechts keine Chance. Da der Ahorn auch zu den Baumarten gehört, die erhöhte Stickstoffwerte mögen, findet er aber nun ideale Bedingungen vor und etwa 92% der neu aufwachsenden Triebe im Wald gehören zur Gattung des Spitzahorns. Aber nicht nur Stieleichen, sondern auch Linden und Hainbuchen werden gepflanzt, um wieder einen gemischten Laubwald wachsen zu lassen. Man versucht also, die vom Menschen herbeigeführten Veränderungen langfristig zu revidieren.
Kurzfristig reagieren
Förster können sich aber nicht zurücklehnen und den Bäumen beim Wachsen zuschauen, wenn sie denn einmal gepflanzt sind. Denn im Wald ist immer etwas los: Stürme knicken Bäume um oder reißen sie aus ihrer Wurzelverankerung, alte Bäume werden krank. Und dann ist da auch noch das Wegenetz, für das die Förster ebenfalls zuständig sind und die Waldbewirtschaftung (zu letzterer im September/Oktoberheft mehr).
Jedem Spaziergänger ist verständlich, dass nach einem Sturm Gefahren beseitigt werden müssen. Äste oder ganze Stämme, die nah an Wegen herabzufallen drohen, müssen abgesägt und weggeschafft werden. Tiefer im Wald kann man sie stehen oder liegen lassen, um als Totholz für Insekten oder Vögel nützlich zu sein. Schafft es der Förster nicht, die Gefahren zu beseitigen, weil etwa nicht genug Geld zur Verfügung steht, ist er verantwortlich, wenn es zu Unfällen kommt. Daher ist es für ihn wichtig, wenigstens einen Papier-Nachweis zu haben, der zeigt, dass er auf das Problem aufmerksam gemacht hat.
Das gilt aber auch für Bäume ohne Sturmschäden, die eventuell zur Gefahr für die menschlichen Nutzer des Waldes werden könnten, auch wenn der Laie das nicht immer einsehen kann oder will. Martin Opitz zeigte uns zwei etwa 250 – 300 Jahre alte Eichen auf dem kurzen Waldstück zwischen Liviasteg und der Ampel an der Zöllnerstraße. Sie tragen die roten Nummern 137 und 138 und würden, wenn sie umstürzen, an dem stark frequentierten Weg wahrscheinlich Menschen verletzen. Um diese Gefahr zu mindern, sind sie für einen Kronensicherungsschnitt vorgesehen, bei der die Krone um 2/3 gekürzt wird. So bieten sie weniger Angriffsfläche bei Stürmen. Entdecken die Forstarbeiter aber größere Schäden beim Kronenschnitt, die vom Boden aus nicht sichtbar sind, muss der Förster sie schweren Herzens fällen lassen.
Aber auch die Wege fallen in Martin Opitz` Zuständigkeit. Beschwerden über den Matsch auf den Waldwegen kann er zwar entgegennehmen, aber nur bedingt etwas unternehmen. Bis 1998 wurden auch die Waldwege von Laub befreit, nach der Streichung von acht Stellen im Forstamt ist das aber nicht mehr möglich. Deshalb bleibt das Laub liegen und verwandelt sich nach und nach in Humus, der dann bei Nässe zu Matsch wird. Für die Sanierung mit Schotter oder Ähnlichem fehlen die Mittel. Daher freut sich der Förster über die Baustelle auf dem Waldweg zwischen Elstermühlgraben und Zöllnerstraße. Unter dem Weg verläuft ein hundert Jahre alter Abwasserkanal, der saniert werden musste. Um überhaupt mit den schweren Fahrzeugen an die Baustelle heranfahren zu können, hat die Firma den Weg mit Schotter gefestigt, ein unerwartetes, aber willkommenes Nebenprodukt der Kanalsanierung. Auf den anderen Waldwegen sollte man aber lieber auf Gummistiefel vertrauen.
Außerhalb jeder Planung
Auch für den Förster bietet der Wald immer mal wieder Überraschungen. Direkt neben dem Spielplatz hat gerade eine Graureiherkolonie auf mehreren der höchsten Wipfel mindestens 20 Nester gebaut. Noch konnten wir wegen der spärlichen Belaubung die Nester sehen und die geschäftig hin und her fliegenden Reiher beobachten. Aber wo sich der Spaziergänger über die neuen Nachbarn freut, ist Martin Opitz skeptisch, was das Überleben der Kolonie angeht. Denn die Menschen haben nicht nur dafür gesorgt, dass es durch den Artenschutz wieder mehr Reiher gibt, sie haben auch einen gut kletternden Räuber in die Wald- und Parklandschaft entlassen, den Waschbären. Für ihn sind die Reihernester das Schlaraffenland, da Waschbären nachts auf Raubzug gehen und die Vögel im Dunkeln wehrlos sind. Daher können sie gegen die Eier- oder Kükendiebe nichts unternehmen. Wie dieser mögliche Existenzkampf für die Reiher ausgeht, bleibt abzuwarten. Und bevor Sie fragen, Maßnahmen gegen kletternde Waschbären sind nicht geplant, das ist ein nutzloses Unterfangen. Die Waschbären sind nun einmal da und irgendwie müssen Tier und auch der Mensch mit ihnen zurechtkommen.
Nach dem Waldspaziergang bleibt vor allem ein Eindruck zurück: Förster im Stadtwald zu sein heißt, Verantwortung zu tragen – für die Gegenwart und die Zukunft.