Grafik: Andreas Reichelt
Von Petra Cain
Im Waldstraßenviertel geht die Sorge um: steigende Mieten, massenhafte Umwidmung von Wohnraum zu Ferienwohnungen, Häuser als reine Spekulationsobjekte von Investmentfirmen, all das fürchten Bewohner, die sich ungern aus dem Viertel verabschieden möchten. Manche Sorge ist berechtigt, andere haben sich bei Recherchen als unbegründet oder übertrieben erwiesen – jedenfalls bis jetzt.
Mietpreise
Nehmen wir die einschlägigen Internetportale, auf denen man nach passenden Wohnungen suchen kann. Immowelt.de bietet auch statistische Daten zu gerade aktuellen Mietpreisen und zur Preisentwicklung der Kaltmieten. An einem Stichtag, in unserem Fall dem 5. August, wurden dort insgesamt 40 Wohnungen im Viertel angeboten. Im oberen Segment ist das Angebot deutlich kleiner, nur 14 Wohnungen haben mehr als 90 m2. Die Tabelle der in den letzten zwei Wochen vor dem 5. August angebotenen Kaltmieten bei Neuvermietungen zeigt, dass der Durchschnittspreis noch unter 10 € liegt, bei Ausreißern nach oben und unten, wie man der ebenfalls dort publizierten Preisentwicklungstabelle in konkreten Zahlen entnehmen kann: Im Juli 2018 wurden Kaltmieten von 6,21 € – 11,60 € verlangt, im August 2017 lagen die Preise bei 5,71 € – 10,24 € und im August 2016 reichte die Spanne von 5,78 € – 15,01 €. Nach rasantem Anstieg in den letzten zwei Jahren sieht das nicht aus. Seit 2014 sind die Mieten dennoch um 20,1% gestiegen, so jedenfalls zeigt es die Statistik im Investorenatlas des Portals immobilienscout24.de für das Viertel an, da 2014 die Durchschnittsmiete bei 7 € lag. Aber auch dieses Portal zeigt, dass die höchsten (Neu-)Mietpreise für 2018 noch unter 10 € liegen. Nun sind diese Preise hoch genug und für Normalverdiener kaum noch bezahlbar, gegen die echten Hochpreisstädte sind sie aber geradezu noch günstig zu nennen. Zu fürchten ist eine andere Entwicklung, denn rasant angestiegen sind die Kaufpreise, seit 2014 um sage und schreibe 61% bei Wohnungen und 56% bei Häusern. Momentan liegt der m2-Preis bei 2.300 € – 3.100 € (immowelt.de). Betont wird, dass es sich um Angebots-, nicht um Abschlusspreise handelt. Dennoch dürfen vor allem Neumieter bei diesen Preisen wohl mit Kaltmieten ab 10 € aufwärts rechnen.
Ferienwohnungen
Weniger begründet ist nach Recherchen bei den einschlägigen Anbietern Airbnb und Wimdu jedoch momentan die Sorge, dass das Viertel von Touristen in Ferienwohnungen überschwemmt wird und dadurch Wohnraum für Langzeitmieter verlorengeht. Bei der Suche nach Ferienwohnungen zu jeder Jahreszeit mit unterschiedlichen Personenzahlen und Aufenthaltszeiten sind uns nie mehr als höchstens 5-10 Angebote angezeigt worden, bei 6.000 Haushalten im Viertel eine wirklich sehr geringe Zahl. Außerdem scheinen die Anbieter kaum kommerzielle Ferienwohnungsvermieter als wirklich Menschen zu sein, die ihre Wohnung dann anbieten, wenn sie selber gerade nicht anwesend sind. Es fehlen z.B. die Bewertungen der Nutzer von anderen Wohnungen des Vermieters, immer ein sicheres Zeichen dafür, dass der Vermieter nicht nur seine eigene Wohnung vermarktet. Dennoch: Ferienwohnungen gelten nach der heutigen Rechtsprechung als nichtstörende Gewerbeeinrichtungen. Einer beantragten Nutzungsänderung kann die Stadt Leipzig nur schwer widersprechen. Es fehlt ein sogenanntes Wohnungszweckentfremdungsgesetz, das in anderen Städten schon erlassen wurde oder in Vorbereitung ist. Investoren wollen ihr Geld gewinnbringend anlegen und Ferienwohnungen lassen sich teuer vermieten. Um das zu verhindern, müsste der Stadtrat, müssten alle Bürger auf ein kommunales Gesetz hinarbeiten.
Sind Mieter nun zu Recht besorgt?
Ja und nein: Bestandsmieter sind relativ geschützt, im gesetzlichen Rahmen werden die Mieten aber sicher noch steigen. Die Berechtigung von Mietsteigerungen kann man anhand des offiziellen Mietspiegels der Stadt Leipzig für 2016 überprüfen. Neumieter müssen mit hohen Preisen rechnen. Und Massen von Ferienwohnungen lassen sich nur durch Gesetzgebung verhindern. Vielleicht können wir aber auch darauf hoffen, dass andere beliebte Stadtteile wie Plagwitz, Connewitz u. a. die Situation entzerren und die so beklagte Parkplatznot und die ständigen Absperrungen unser Viertel weniger attraktiv erscheinen lassen. Da wären diese Ärgernisse ja noch zu etwas nutze.