Gespräch mit Rechtsanwalt Frank Legler
WN: Herr Legler, Sie gelten als ein „Urgestein“ im Waldstraßenviertel, da Sie öffentlich seit Jahren hier präsent sind: Man trifft Sie häufig bei Veranstaltungen, Lesungen, Fahrten und Festen des Bürgervereins. Was hat Sie 1992 bewogen, Ihren Lebensmittelpunkt in dieses Viertel zu verlegen, das heißt, Sie wohnen und arbeiten relativ benachbart …
F. L.: Geboren bin ich in Leipzig, zur Schule gegangen ebenfalls und studiert habe ich auch hier. Nach dem Studium war ich von 1960 bis 1974 bei Interpelz tätig, einem Außenhandelsunternehmen. Bin dann 1974 von einer Reise in den Westen nicht zurückgekommen. 1990 kam ich zum ersten Mal wieder nach Leipzig und traf auf einen ehemaligen Kommilitonen, der sich nach der Wende nun erstmalig als Rechtsanwalt selbständig machen wollte und mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, dabei mitzutun. Und aus „Jux und Tollerei“ habe ich „ja“ gesagt. Am Ende hatten wir zusammen die Kanzlei und es gab kein Zurück mehr. Zunächst in der Nikolaistraße und später, seit 1992, hier in der Feuerbachstraße 5. Mit immer noch gleicher Telefon- und Faxnummer. Im Bürgerverein bin ich zwar nicht Mitglied, aber in der Arbeitsgemeinschaft „Jüdisches Leben“, wo ich mich von Anfang an eingebracht habe. Seit der Zeit bei Interpelz, aber auch danach, habe ich sehr viele Verbindungen zu jüdischen Bürgern in aller Welt. Es haben hier im Viertel viele Rauchwarenhändler gewohnt und die Beschäftigung mit dieser Thematik ist inzwischen zu meinem Hobby geworden. Meine Großeltern wohnten übrigens seit 1900 bereits hier, in der Elsässer Straße (heute Max-Planck-Straße). Daher kannte ich schon als Kind das Waldstraßenviertel.
WN: Hat sich aus Ihrer Sicht das Viertel in den letzten Jahrzehnten (außer den Sanierungs- und Verschönerungsmaßnahmen) wesentlich verändert, oder würden Sie der Aussage, dass es auch etwas von einem „Kiez“ hat, zustimmen können? Also: Einmal Waldstraßenviertel – immer Waldstraßenviertel?
F. L.: Ja, das würde ich zu hundert Prozent bestätigen! Man will dann nie wieder raus. Aus niedrigen Räumen in hohe Räume zu ziehen, ist kein Problem, aber umgekehrt wäre für mich unvorstellbar! Man fühlt sich einfach wohl und ich glaube, das geht den meisten so, die schon länger hier wohnen. Und ganz wichtig: Man kennt sich. Es lebt eine angenehme Klientel hier, die sich verträgt. Diejenigen, die bloß in der festen Absicht hergekommen sind, den nächsten Sprung woandershin zu tun, denen kann man nicht helfen. Schlimm wird es nur, wenn solche Leute meinen, das Viertel aufmischen zu können und dann wieder abhauen. Ich denke da nur an diese „Stricklieseltruppe“, die den Liviaplatz komplett umgestalten wollte. Wir haben uns dann zusammen getan, um das zu verhindern. Zum Glück ist es gelungen, der Platz hat noch seine ursprüngliche Gestalt und das soll auch so bleiben!
WN: Leider ist der Liviaplatz aber inzwischen mehr und mehr zum Parkplatz mutiert. Zunächst schleichend, im Winter bei Schnee und Frost, aber inzwischen ist es wohl zum Gewohnheitsrecht geworden, dort zu parken. Finden Sie das gut?
F. L.: Ich finde das grundsätzlich nicht gut. Aber es gibt definitiv zu wenig Parkplätze. Wir haben persönlich das Glück, eine Garage zu haben. Was mir nicht gefällt ist, wenn das Ordnungsamt bereits morgens vor acht Strafzettel verteilt. Denn die Leute, die abends von der Arbeit kommen, müssen ihr Auto irgendwo parken. Da bleibt oft nur der Platz übrig. Tagsüber ist das etwas anderes. Da sollte das Parkverbot gelten. Eine andere Sache ist, wenn Fußballspiele oder Konzerte in der Arena stattfinden. Dann steht der Platz voll. Jetzt wird das Viertel abgesperrt. Es muss aber unbedingt eine Regel gefunden werden, die es Besuchern bzw. Mandanten, die manchmal in dieser Zeit zu mir kommen, an diesen Wochenenden ermöglicht, mittels einer Ausnahmegenehmigung mit dem Auto anzureisen.
WN: Stichwort Mandanten: Sie haben offensichtlich noch eine Menge davon und deshalb die Frage: Wie lange gedenken Sie in Ihrer Kanzlei tätig zu sein?
F. L.: Ich habe mir seit Anfang der 90er Jahre einen Mandantenstamm aufgebaut. Damals ging es noch um Grundstücksrückübertragungen, Entschädigungen, Betriebsgründungen etc. Diese Menschen sagen heute zu mir: „Sie können doch nicht einfach aufhören“, denn es hat sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt. Man ist gemeinsam älter geworden, kennt sich oft seit zwanzig Jahren und mehr. Es mehren sich inzwischen Mandate zu Patientenverfügungen sowie zu Erbschafts- und Mietfragen. Ich kann übrigens nur jedem raten, diese Angelegenheiten rechtzeitig zu regeln!
WN: Es ist herauszuhören, dass es noch vielfältige Aufgaben für Sie gibt. Ein Ende der Berufstätigkeit ist also nicht in Sicht. Abschließend nun die Frage, was Sie sich für die Zukunft des Viertels wünschen?
F. L.: Ich wünsche mir sehnlichst, dass kein Baum mehr gefällt wird, weder in den Innenhöfen noch im Straßenraum. Es werden immer noch viel zu oft Genehmigungen zur Baumfällung erteilt. Damit wird die Qualität dieses Wohnquartiers herabgesetzt und daran ändern auch die Auflagen zu Ersatzpflanzungen – irgendwo in der Stadt – nichts!
Das Gespräch führte Dagmar Geithner
Foto: Kathrin Futterlieb-Rose