Der Star – Vogel des Jahres 2018

Von Roland Klemm

„Auf dem Titelbild haben Sie mich ja schon in voller Pracht bewundert, wobei diese Schönheit aus Abnutzung resultiert – aber dazu später mehr. Die vielen Sterne (engl. Stars), die mich zeitweise zieren, haben allerdings nichts mit meinem Namen zu tun, denn dieser ist wie er ist – ohne Erklärung. Bereits im Althochdeutschen hieß ich Stara und in vielen europäischen Sprachen ist mein Name ähnlich: Starling, Storno oder lat. Sturnus. Mein zweiter lateinischer Name vulgaris ist nicht so schön, genau wie mein früherer Name Gemeiner Star. Beides meint allerdings häufig, gewöhnlich. Nun, gewöhnlich bin ich bei Weitem nicht, aber häufig schon. Mit rund 600 Millionen Individuen gehören wir weltweit zu den häufigsten Vögeln der Erde. Unsere Verbreitungsgebiete waren ursprünglich Europa und Kleinasien. Ab 1890 wurden 100 von uns nach Nordamerika „verschleppt“. Inzwischen zählen wir dort zu den häufigsten Vögeln, genau wie in Neuseeland, wo wir 1862 auftauchten. In Sachsen sind wir mit ca. 150.000 Paaren die fünfthäufigste Brutvogelart. Seit 2001 ist allerdings ein Bestandsrückgang festzustellen, wobei es bei uns auch starke Bestandsschwankungen gibt, in Abhängigkeit vom Angebot an Obst, in hiesigen Breiten Kirschen, im Süden Wein und Oliven. Diese Vorliebe macht uns ganz schön unbeliebt. Ansonsten besteht unsere Nahrung aus Insekten, Spinnen, Regenwürmern und Schnecken, die wir auf kurzrasigen Flächen und Ödland durch systematisches Vorgehen in Trupps absuchen. Auf der Rosentalwiese können Sie das gut beobachten, wobei wir uns im Gegensatz zur Amsel auf dem Boden schreitend und nicht hüpfend bewegen.
Nun aber etwas zu unserer mysteriösen Verwandlung vom Perlstar zum Glanzstar. Nicht nur, dass unsere Jungen – einfarbig braun – ganz anders aussehen, auch wir Alten wandeln unser Federkleid im Laufe des Jahres. Obwohl keine Federn ausfallen, verlieren wir immer mehr weiße Punkte. Kurz vor der Paarungszeit kommt sogar ein komplett dunkles Gefieder mit grünem oder violettem Schimmer zum Vorschein. Wie ist das möglich? Die Antwort lautet Abnutzung. Durch Bewegung, Wind und Wetter nutzen sich die weißen Federspitzen nach und nach ab, bis kaum noch welche übrig sind. Dann kommt das „eigentliche“ Brutkleid zur Geltung. Das Sonnenlicht bringt dies gut zum Leuchten (s. Titelbild). Im Gegensatz zu euch Menschen sind unsere Augen UV-empfindlich. Das Gefieder reflektiert das UV-Licht und die Intensität der Reflexion steigert die Attraktivität gegenüber den Weibchen. Auch die Farbe unseres Schnabels ändert sich. Schuld daran sind die Sexualhormone. Das sorgt dafür, dass der schwarze Schnabel ab Januar/Februar immer heller wird, bis er zur Paarungszeit gelb-weiß ist. Nur mit gelbem Schnabel sind wir paarungsbereit. In dieser Phase könnt ihr uns durch die Farbe der Unterschnabelwurzel unterscheiden. Beim Männchen ist sie bläulich und beim Weibchen eher rötlich.
Nun kurz ein paar Fakten zum Jahreslauf. Ihr könnt uns fast das ganze Jahr über beobachten, wobei wir uns von November bis Januar rarmachen. Die meisten von uns ziehen wetterbedingt Richtung Südeuropa davon. An sonnigen Februartagen sind wir aber wieder zur Stelle. Wir beziehen dann unsere Reviere im Auwald. Unsere Balz kann man schon Anfang März beobachten. Wir Männchen sitzen dann auf einem hohen Ansitz, schmettern Lieder und schlagen dabei aufgeregt mit den Flügeln und sträuben unser Kehlgefieder. Unser Gesang ist sehr variabel, wir gelten als Stimmenimitatoren, ahmen schon mal technische Geräusche nach. Unsere Weibchen sitzen in der Nähe ihres ausgewählten Brutplatzes, der häufig auch ein Starenkasten oder ein Loch in der Fassade sein kann. Sie legen vier bis sechs helle grünlichblaue Eier. Nach 12 bis 13 Tagen schlüpfen unsere Kleinen, die wir dann drei Wochen im Nest versorgen. Als Paar bleiben wir während der Brutzeit zusammen, wobei wir häufig auch zwei Bruten aufziehen.
Außerhalb der Brutzeit leben wir in großen Schwärmen zusammen. Tagsüber suchen wir Nahrung und abends treffen wir uns mit anderen Trupps und schließlich schlafen wir im Schilfgürtel von Seen oder in Bäumen. Es können schnell mal bis zu Hunderttausend von uns zusammenkommen. Für Leipzig legendär waren ja unsere Ansammlungen auf wenigen Bäumen am Leipziger Hauptbahnhof Ende der 1960er bis Anfang der 1980er Jahre. Hier zählte man über 8.000 von uns in jeder Nacht.
Spektakulär sind auch unsere wie synchronisiert wirkenden Flugbewegungen im Schwarm, aber das ist schon wieder eine neue Geschichte…“

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