von Beate Schuhr
Kochen ohne Grenzen – In den Küchen unserer Nachbarn
Liebe Nachbarn,
heute wird gebacken. Endlich eine Folge, die sich dem Bäckerhandwerk widmet. Wie immer, müssen wir zunächst eine Reise in die Vergangenheit machen, um in der Gegenwart unserer Gastgeberin anzukommen. Wir verlassen Leipzig und das Waldstrassenviertel und wenden unseren Blick nach Osten, in Richtung Landsberg an der Warthe, dem heutigen Gorzów Wielkopolski. Dort lebte die Familie meiner heutigen Gesprächspartnerin, Kathrin. Die Männer der Familie sind seit Generationen angesehene Bäckermeister und Konditoren, die Frauen verantwortlich für das große Ladengeschäft und die Organisation des Familienlebens.
Zart und hart: Eclairs und Knäckebrot
Bei Ende des zweiten Weltkriegs sind Bäckerei und Geschäft zerstört und die Familie auf der Flucht. Der 15jährige Sohn bleibt allein zurück. Weihnachten 1945 findet die Familie in der Nähe von Berlin wieder zusammen. Und nun? Der Großvater findet als Bäcker keine Arbeit mehr – er bäckt für private Feierlichkeiten. Die Großmutter ist im Umgang mit Kunden versiert – sie findet Arbeit im Konsum. Die Familie fängt neu an. Das Rezeptbuch der ‚Konditorei und Bäckerei am Paradeplatz‘ hat Krieg und Flucht überdauert und wir bekommen heute das Rezept für Eclairs, gefüllt mit selbst gemachter Vanillecreme.
Einen halben Liter Milch und 100 Gramm Margarine in einem Kochtopf erhitzen, bis das Fett geschmolzen ist. 200 Gramm Mehl und einen gestrichenen Teelöffel Backpulver in eine Schüssel sieben, das gesiebte Mehl in die heiße Milch schütten und auf dem Herd zu einem glatten Kloß verrühren. Den Kloß zurück in die Schüssel geben und 6 – 8 Eier unterrühren. Auf Backpapier „Liebesknochen“ (Eclairs) spritzen. Bei 170 Grad 30 – 35 Minuten backen.
Für die Vanillecreme einen halben Liter Milch, 50 Gramm Mehl und ein bis zwei Eier glatt rühren, 100 Gramm Zucker und das Mark einer Vanilleschote dazugeben. Die Mischung unter ständigem Rühren aufkochen. Fertige Eclairs längs aufschneiden und mit der Vanillecreme füllen.
Jetzt macht die Liebe zum Backwerk für eine Generation Pause: „Mein Vater hat keinen Draht zum Backen.“, sagt Kathrin. Mit einer Ausnahme: Zu jedem Geburtstag bekommen die Kinder, die Enkel und mittlerweile auch die Urenkel eine selbst gemachte Baiser-Torte. In der Mitte, ein großes rundes Tortenstück mit der Jahreszahl. Das ist dem Geburtstagskind vorbehalten.
Wir sind zurück in Leipzig und im Waldstrassenviertel. „Wie ist das mit Dir? Wann hast Du angefangen zu backen?“, frage ich. „Ich habe schon als kleines Kind gerne gebacken. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich meine Mama beim Backen abgelöst. Sie hat anfangs noch geholfen, aber bald habe ich alles alleine gemacht.“ Wusstest Du, dass Du aus einer Bäcker- und Konditoren-Familie stammst?“ „Ja, klar, der Papa hat viel erzählt, den Opa habe ich leider nicht kennengelernt.“
Dann also zu Kathrin und ihrer eigenen Interpretation der Familien-Tradition: Wir backen Knäckebrot.
„Mein Lieblings-Knäckebrot gab’s nicht mehr, da dachte ich mir: so schwer kann das ja nicht ein.“ Wenn man aus einer Bäcker- und Konditoren-Familie stammt, mag das stimmen. Gilt das auch für Laien? Probieren Sie es aus. Hier ist das Rezept für Kathrins Knäckebrot: 120 g Dinkelmehl, 120 Gramm Haferflocken, 100 Gramm Sonnenblumenkerne, 50 Gramm Sesam, 50 Gramm Leinsamen und ½ Teelöffel Salz mischen. Je nach Lust und Laune z.B. Schwarzkümmel oder andere aromatisierende Gewürze dazugeben. Mit ½ Liter Wasser und zwei Esslöffeln Olivenöl verrühren. Zwei Backbleche mit Backpapier belegen und den Teig darauf dünn ausstreichen. Insgesamt 60 Minuten bei 170 Grad im vorgeheizten Backofen backen. Wichtig: Nach 15 Minuten Backzeit das Brot in Rechtecke schneiden und dann weiterbacken.
Das Ergebnis ist großartig, viel besser als gekauftes Knäckebrot. Aber das war ja klar.