Tschaikowskistraße 9 II Jury & Sophie Fränkel

Tschaikowskistraße 9
 
Jury (Albert) Fränkel wurde im Jahr 1899 in Moskau in eine Rauchwarenfamilie geboren, bereits drei Generationen vor ihm handelten seit 1848 ebenfalls mit Pelz. Sein Vater war Hugo Fränkel (geb. in Moskau; gest. 1940 in Stockholm), seine Mutter Olga Fränkel, geborene Schiller (geb. in Deutschland; gest. 1954 in Stockholm).

Aus Leipzig mit dem dortigen Pelzhandelszentrum Brühl, wo die Familie seit 1848 ansässig war, waren die Eltern kurz vor seiner Geburt in die russische Hauptstadt umgezogen. Die wohlhabende Familie hatte Kontakt zu prominenten Künstlern der Zeit. Bereits im Alter von 15 Jahren begleitete er seinen Vater auf Reisen zur Pelzmesse in Nischni Nowgorod und den anderen Zentren des Pelzhandels.
Mit Beginn der Oktoberrevolution gelang dem während des Ersten Weltkriegs (1914 bis 1918) nach Sibirien internierten Vater zusammen mit Sohn Jury die Flucht nach Deutschland, der Mutter und den Geschwistern war schon vorher die Ausreise gestattet worden. Die Familie ließ sich erneut in der Rauchwarenmetropole Leipzig nieder. Dort begann er mit der Ausbildung bei der Firma Robert Meyer & Co. seine Laufbahn als Rauchwarenkaufmann.

Sein Vater ging als Repräsentant der Leipziger Pelzhandelsfirma J. Ariowitsch nach Stockholm, wohin ihm der Sohn 1921 folgte. 1926 kam Jury nach Leipzig zurück, zunächst als Vertreter der Hudson’s Bay Company. Für 1928 ist in Leipzig eine Wohnadresse in der Michaelisstraße (Hauptzollamtstraße) 3 belegt. Später wurde er Repräsentant des Pusnoj Syndikat, ab 1934 als Sojuzpushnina bezeichnet, eines russischen Staatsunternehmens mit dem Monopol der Vermarktung der in Russland anfallenden Pelzfelle, insbesondere als Auktionshaus. Vater Fränkel gründete mit Ariowitsch die Firmen Hugo Fränkel & Co, Stockholm und Hugo Fränkel & Co, Buenos Aires. In der Weltwirtschaftskrise musste die Firma Ariowitsch liquidieren und Vater Fränkel verlor mehr als eine halbe Million Reichsmark, was ihn beinahe ruinierte. Jury blieb bis 1931 in Leipzig – wo er damals schon als „eine Persönlichkeit“ galt, er trat in der Zeit auch als Laienschaupsieler auf und verfasste unter dem Pseudonym Jura Tamkin Übersetzungen und einige Theaterinszenierungen. 1932 ließ er sich dann endgültig in Schweden nieder. Von dort aus handelte er außer mit skandinavischen Kunden viel mit Abnehmern in Deutschland und Italien, wo die Pelzmode zu der Zeit einen größeren Aufschwung erfuhr. Ab dem Jahr 1932 gab es dann keine Rauchwarenauktion in Stockholm und in Leningrad, an der Fränkel nicht teilgenommen hätte. Auf der 50. Jubiläumsauktion der Sojuzpushnina ehrte man Fränkel als einen der beiden Rauchwarenhändler, die sämtliche Leningrader Auktionen von Anfang an besucht haben. Auf der 200. Jubiläumsauktion der Sojuzpushnina im April 2016 wurde posthum noch einmal seiner gedacht: „Seine Käufernummer 99 war so legendär wie er selbst“.
Zusammen mit Hussein Umerkajeff eröffnete er die Firma Svensk-Engelska-Skinnförmedlingen. 1939 gründete er in Stockholm erneut eine eigene Firma. Später verlegte er seinen Wohnsitz in die schwedische „Pelzstadt“ Tranås.
Ein Verwandter der im Pelzhandel verzweigten Familie, Abisch Fränkel, hatte noch in Leipzig, Brühl 69, sein Unternehmen, dass dann aber durch die Nationalsozialisten liquidiert wurde. Im Kriegsjahr 1942 wurde Jury Fränkel die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und er erhielt anstelle seines bisherigen Passes für staatenlose Flüchtlinge und Emigranten (Nansen-Pass) schwedische Personalpapiere. In Schweden engagierte er sich auch nach dem Krieg für den Aufbau einer leistungsstarken Pelzindustrie. Auf seine Initiative hin wurde die Swedish Fur Fashion Group gegründet.
1947 heiratete er Hélène Bernstein und zog mit ihr nach Paris. 1948 wurde die Tochter Anne Hélène, 1951 der Sohn André geboren.

Jury Fränkel betätigte sich nebenher beständig als Autor für Fachzeitschriften in Deutschland, Schweden und anderen Ländern. Seine Berichte von den Pelzauktionen und der immer schon launischen Lage mit einem gewaltigen Auf und Ab am Pelzmarkt waren überaus unterhaltsam geschrieben. Neben seinem Humor und seinen zahlreichen Publikationen trug auch seine eindrucksvolle Erscheinung, mit kräftiger Körperfülle, später auch ein Kinnbart, dazu bei, dass er schon zu Lebzeiten als das Urgestein und Original der Pelzbranche galt. Als Festredner war er gesuchter Höhepunkt jeder Fachveranstaltung. Als Branchenauszeichnung erhielt er die „Goldene Pelzmotte“, für deren künftige Verleihungen er das Generalsekretariat übernahm.

Fast alle Veröffentlichungen Jury Fränkels beschäftigten sich mit der Pelzbranche. Nebenbei übersetzte er aber auch den Kirschgarten von Anton Tschechow aus dem Russischen ins Schwedische (in Schweden uraufgeführt mit dem damals noch unbekannten Schauspieler Ingmar Bergman), spielte selbst Theater und führte an verschiedenen Stockholmer Theatern Regie. Unter dem Pseudonym Jura Tamkin hatte er damit großen Publikumserfolg, vor allem mit der Inszenierung russischer Klassiker. In dieser Eigenschaft war er auch für das „Jüdische Amateur-Theater“ tätig.

Die Erstausgabe seines ersten Werkes „Rauchwarenhandbuch“ erschien im Jahr 1960. Zu dem bis heute unerreichten Standardwerk der Pelzbranche wurde es durch die grundlegende Neubearbeitung durch Christian Franke und Johanna Kroll. Sie gaben dem Werk den wissenschaftlichen Unterbau und erweiterten es um die wesentlichen aktuellen Zahlen und Fakten der Pelzbranche. Der Buchtitel war jetzt „Jury Fränkel’s Rauchwarenhandbuch“. Fränkel entwickelte eine Nachschlaghilfe für Persianerfelle, die sämtliche Persianersorten, ihre Bezeichnungen und Beschreibungen enthält sowie eine Nerzkarte, die die Entstehung der einzelnen Farbmutationen darstellt und erläutert.

Von der International Fur Trade Federation bekam Fränkel den Auftrag für ein Glossarium, ein achtsprachiges Wörterbuch für die Pelzbranche. Dies konnte er noch unmittelbar vor seinem Tod vollenden. Seine posthum in zwei Bänden veröffentlichten Memoiren „Einbahnstraße“ blieben unvollständig, sie enden Anfang der 1930er Jahre.

Im Februar 1971 starb Jury Fränkel in Lagny-sur-Marne, begraben wurde er auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise.
  Tschaikowskistraße 9
 
Jury (Albert) Fränkel was born in Moscow in 1899 into a family of furriers; three generations before him had also been trading in fur since 1848. His father was Hugo Fränkel (born in Moscow; died 1940 in Stockholm), his mother Olga Fränkel, née Schiller (born in Germany; died 1954 in Stockholm).
His parents had moved to the Russian capital from Leipzig and its fur trading centre Brühl, where the family had lived since 1848, shortly before his birth. The wealthy family had contact with prominent artists of the time. At the age of 15, he accompanied his father on trips to the fur fair in Nizhny Novgorod and the other centres of the fur trade.

At the onset of the October Revolution, the father, who had been interned in Siberia during the First World War (1914 to 1918), successfully fled to Germany with his son Jury, while his mother and siblings had already been permitted to depart the country. The family resettled in Leipzig, known as the fur capital. It was there that he embarked on his career as a fur merchant with the company Robert Meyer & Co.

His father went to Stockholm as a representative of the Leipzig fur trading company J. Ariowitsch, where his son followed him in 1921. In 1926, Jury returned to Leipzig, initially as a representative of the Hudson’s Bay Company. A residential address in Michaelisstraße (Hauptzollamtstraße) 3 in Leipzig is documented for 1928. Later, he became a representative of the Pusnoj Syndicate, later referred to as Sojuzpushnina from 1934 onwards, a Russian state enterprise with a monopoly on marketing fur skins produced in Russia, especially as an auction house. Father Fränkel founded the companies Hugo Fränkel & Co in Stockholm and Hugo Fränkel & Co in Buenos Aires with Ariowitsch. During the Great Depression, the Ariowitsch firm had to liquidate, and Father Fränkel lost more than half a million Reichsmarks, nearly ruining him. Jury remained in Leipzig until 1931 – where he was already considered ‚a personality‘ at the time. He also appeared as an amateur actor during this period and wrote translations and some theatrical productions under the pseudonym Jura Tamkin. In 1932, he finally settled in Sweden. From there, he traded not only with Scandinavian customers but also with buyers in Germany and Italy, where fur fashion experienced a greater upswing at the time. From 1932 onwards, there was no fur auction in Stockholm and Leningrad in which Fränkel did not participate. At the 50th anniversary auction of Sojuzpushnina, Fränkel was honored as one of the two fur traders who had attended all the Leningrad auctions from the beginning. At the 200th anniversary auction of Sojuzpushnina in April 2016, he was posthumously remembered once again: ‚His buyer number 99 was as legendary as he was himself‘.

Together with Hussein Umerkajeff, he established the company Svensk-Engelska-Skinnförmedlingen. In 1939, he founded his own company in Stockholm once again. Later, he relocated to the Swedish „fur city“ of Tranås.

A relative of the extended family involved in the fur trade, Abisch Fränkel, still had his business in Leipzig, at Brühl 69, which was subsequently liquidated by the National Socialists. In the war year of 1942, Jury Fränkel was stripped of his German citizenship, and instead of his previous passport for stateless refugees and emigrants (Nansen Passport), he received Swedish identification papers. In Sweden, he continued to advocate for the development of a robust fur industry even after the war. At his initiative, the Swedish Fur Fashion Group was established.

In 1947, he married Hélène Bernstein and moved with her to Paris. Their daughter Anne Hélène was born in 1948, followed by their son André in 1951.

Besides his primary activities, Jury Fränkel consistently served as an author for trade journals in Germany, Sweden, and other countries. His reports on fur auctions and the often volatile situation in the fur market, characterized by significant fluctuations, were exceptionally entertainingly written. Alongside his humor and numerous publications, his imposing appearance, with a robust physique, later complemented by a chin beard, contributed to his reputation as a stalwart and original figure of the fur industry even during his lifetime. As a keynote speaker, he was a sought-after highlight of any industry event. He was awarded the ‚Golden Fur Moth‘ as industry recognition, and he assumed the secretariat for its future presentations.

Nearly all of Jury Fränkel’s publications dealt with the fur industry. However, he also translated Anton Chekhov’s ‚The Cherry Orchard‘ from Russian to Swedish (first performed in Sweden with the then-unknown actor Ingmar Bergman), performed on stage himself, and directed productions at various theaters in Stockholm. Under the pseudonym Jura Tamkin, he achieved great success with the staging of Russian classics, particularly popular with the audience. In this capacity, he also worked for the ‚Jewish Amateur Theater.‘
The first edition of his seminal work, ‚Fur Handbook,‘ was published in 1960. It attained its unparalleled status in the fur industry through the comprehensive revision by Christian Franke and Johanna Kroll. They provided the scientific foundation and expanded it with essential current figures and facts of the fur trade. The book was now titled ‚Jury Fränkel’s Fur Handbook.‘ Fränkel developed a reference guide for Persian lamb skins, containing all Persian lamb varieties, their designations, and descriptions, as well as a mink chart illustrating and explaining the origin of individual color mutations.
Fränkel was commissioned by the International Fur Trade Federation to create a glossary, an eight-language dictionary for the fur industry. He completed this task shortly before his death. His memoirs, ‚Einbahnstraße/One-Way Street,‘ published posthumously in two volumes, remained incomplete, ending in the early 1930s.

Jury Fränkel passed away in February 1971 in Lagny-sur-Marne; he was buried at the Père Lachaise Cemetery in Paris.“
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