Funkenburgstraße 15 und 16

„Judenhäuser“
(aus Nora Pester, Jüdisches Leipzig, Menschen-Orte-Geschichte, Hentrich & Hentrich 2022, S. 133-134,)

In Leipzig wurden Juden ab 1 939 zwangsweise in die Judenhäuser eingewiesen, nachdem ihnen ihre Mietwohnungen gekündigt worden waren. Vgl. hierzu auch den nachfolgenden Beitrag von Steffen Held. Die meisten der 47 Judenhäuser befanden sich im Waldstraßenviertel und zwar in der Jacobstraße 7, 11; Färberstraße 11, Gustav-Adolf-Straße 7, Leibnizstraße 4, 30; Hinrichsenstraße 14, Funkenburgstraße 15, 16, 23, 25; Liviastraße 2, Humboldtstraße 4, 6, 10, 12a, 13, 15.

Das Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden und die Einbeziehung des Amtes zur Förderung des Wohnungsbaues
(aus Steffen Held, Die Leipziger Stadtverwaltung und die Deportation der Juden im NS-Staat,
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig 2008)

Ende Dezember 1938 informierte Hermann Göring die Oberfinanzpräsidenten und Regierungspräsidenten, dass eine „gewisse Anzahl von Häusern in jüdischem Besitz“ verbleiben sollte. In solchen als „Judenhäuser“ bezeichneten Wohnhäusern sollten Jüdinnen und Juden zukünftig untergebracht werden.

Im Frühjahr 1939 ging die schleichende „Arisierung“ von Wohnraum durch das Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden in die „Zwangsarisierung“ über. In dem Gesetz vom 30. April 1939 wurde die Wohnraumverdrängung staatlich geregelt. Die Stadt- und Gemeindeverwaltungen erhielten entscheidende Befugnisse im Vorgehen gegen jüdische Mieterinnen und Mieter. Das Gesetz hob den gesetzlichen Mieterschutz für Juden auf. Vermieter konnten ein Mietverhältnis, allerdings unter Einhaltung der Fristen, kündigen, wenn eine Bescheinigung der Gemeindebehörde vorlag, in der „eine anderweitige Unterbringung des Mieters“ zugesichert wurde. Auf der anderen Seite waren jüdische Wohnungseigentümer und Mieter gezwungen, Juden als Mieter oder Untermieter anzunehmen. Ausgenommen von den Bestimmungen dieses Entmietungsgesetzes waren „Mischehen“, in denen der Ehemann Nichtjude war.

Zwei Wochen nach Bekanntgabe des Gesetzes legte das Hauptverwaltungsamt der Leipziger Stadtverwaltung in Abstimmung mit der NSDAP-Kreisleitung die Zuständigkeit für die „Bearbeitung der durch das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden […] übertragenen Aufgaben“ fest. Die Zuständigkeit für diese Entrechtung erhielt das Amt zur Förderung des Wohnungsbaues. Der im Fürsorgeamt tätige Stadtrechtsrat und NSDAP-Ortsgruppenleiter Botho Furch wurde zum neuen Amtsleiter ernannt.

Erstmals am 26. Mai 1939 nahm Furch an einer Besprechung des Bürgermeisters mit den Beigeordneten teil und erläuterte den von ihm vorgelegten Entwurf für eine kommunale Verordnung über „Die Mietverhältnisse mit Juden in Leipzig“. Bürgermeister Rudolf Haake stimmte dem Vorschlag zu. Zu diesem Zeitpunkt lebten etwa 6.000 Jüdinnen und Juden in Leipzig. Um die Mitte des Jahres 1939 hatte das Amt zur Förderung des Wohnungsbaues seinen Sitz vom Burgplatz (Stadthaus) in die an der Südseite des Neuen Rathauses angrenzende Harkortstraße 1 verlegt.

Zuerst in der internen Kommunikation des Rathauses und dann durch die Außenwahrnehmung der antijüdischen Maßnahmen des Amtes zur Förderung des Wohnungsbaues war in der zweiten Jahreshälfte 1939 die Kurzbenennung „Judenstelle“ für den als „Bearbeitung der Judensachen“ bezeichneten Bereich aufgekommen. Die Kurzbezeichnung verfestigte sich zunächst umgangssprachlich und wurde schließlich offiziell.

Die erste praktische Maßnahme der „Judenstelle“ war auf die Erfassung der Grundstücke im Eigentum von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern und aller Mietwohnungen von Juden gerichtet. Aber auch nichtjüdische Hauseigentümer und Wohnungsinhaber waren aufgefordert, den an Juden vermieteten und untervermieteten Wohnraum anzuzeigen. Als das Verzeichnis in der zweiten Junihälfte 1939 vorlag, wurden die Grundstücke in jüdischem Besitz auf einem Stadtplan gekennzeichnet. Danach begann nach Absprache mit dem NSDAP-Kreisleiter und den Ortsgruppenleitern die räumliche Einschnürung der Juden in 47 als „Judenhäuser“ deklarierte Wohnhäuser. Die Mehrzahl der Grundstücke lag in der inneren Nord- und Westvorstadt, eingegrenzt von der Nord- und der Funkenburgstraße. Im gesamten Stadtgebiet wurden nach Angaben der „Judenstelle“ von Mai bis Ende Oktober 1939 etwa 300 und bis Mitte Januar 1941 fast 650 Mietverhältnisse gekündigt und die jüdischen Mieterinnen und Mieter in „Judenhäusern“ untergebracht. Nach der Vertreibung der jüdischen Mieter zogen in die Wohnungen Nichtjuden ein.

„Judenhäuser“
(Nora Pester, Jüdisches Leipzig, Menschen-Orte-Geschichte, Hentrich & Hentrich 2022, S. 133-134,)

From 1939 onwards, Jews were forced to live in so called Judenhäuser after they had been given notice to leave their rented flats. In the following article by Steffen Held, this is described using Leipzig as an example. Most of the 47 Jewish houses in Leipzig were located in the Waldstraßenviertel, namely in Jacobstraße 7, 11; Färberstraße 11, Gustav-Adolf-Straße 7, Leibnizstraße 4, 30; in today’s Hinrichsenstraße 14, Funkenburgstraße 15, 16, 23, 25; Liviastraße 2, Humboldtstraße 4, 6, 10, 12a, 13, 15.

The Law on Tenancies with Jews and the Involvement of the Office for the Promotion of Housing Construction
(from Steffen Held, Die Leipziger Stadtverwaltung und die Deportation der Juden im NS-Staat, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig 2008)

In December 1938, Hermann Göring informed the chief finance presidents and district presidents that a „certain number of houses should remain in Jewish ownership“. Jews were to be housed in such dwellings, which were designated as „Jewish houses“.

In the spring of 1939, the gradual „Aryanisation“ of housing turned into „forced Aryanisation“ through the Law on Tenancies with Jews. In the law of 30 April 1939, housing displacement was regulated by the government. The city and municipal administrations were given decisive powers to act against Jewish tenants. The law abolished the legal protection of Jewish tenants. Albeit subject to notice periods, landlords had the power to terminate a tenancyif a certificate from the municipal authority was presented in which „alternative accommodation for the tenant“ was assured. On the other hand, Jewish flat owners and tenants were forced to accept Jews as tenants or subtenants. Exempt from these provisions of this de-tenancy law were „mixed marriages“ in which the husband was of non-Jewish origin.

Two weeks after the law was announced, the main administrative office of the Leipzig municipal administration, in coordination with the NSDAP district leadership, established responsibility for „processing the tasks assigned by the law on tenancies with Jews […]“. Responsibility for this disenfranchisement was given to the Office for the Promotion of Housing Construction. The city law councillor and NSDAP local group leader Botho Furch, who worked in the welfare office, was appointed as the new head of office.

For the first time on 26 May 1939, Furch took part in a meeting of the mayor with the aldermen and explained the draft he had submitted for a municipal ordinance on „Tenancies with Jews in Leipzig“. Mayor Rudolf Haake agreed to the proposal. At that time there were about 6,000 Jews living in Leipzig. Around midyear of 1939, the Office for the Promotion of Housing had moved its headquarters from Burgplatz (Stadthaus) to Harkortstraße 1, adjacent to the south side of the New Town Hall.

Starting with the internal communication of the town hall and finally through the external perception of the anti-Jewish measures of the Office for the Promotion of Housing Construction, the abbreviated name „Judenstelle“ (Jewish Office) had emerged in the second half of 1939 for the department processing […] Jewish Affairs“. The abbreviated designation first solidified in colloquial language and was finally used officially.

The first practical measure of the „Judenstelle“ was toregister the properties owned by Jewish citizens and all rented flats owned by Jews. Non-Jewish house owners and flat owners were also requested to report the living space rented and sublet to Jews. When the list was available in the second half of June 1939, the properties owned by Jews were marked on a city map. Then, after consultation with the NSDAP district leader and the local group leaders, the spatial constriction of the Jews into 47 residential houses declared as „Judenhäuser“ (Jewish houses) began. The majority of the properties were located in the inner northern and western suburbs, bordered by Nordstrasse and Funkenburgstrasse. According to the „Judenstelle“, about 300 tenancies were terminated in the entire city area from May to the end of October 1939 and almost 650 by mid-January 1941. The Jewish tenants were housed in „Judenhäuser“ instead. After the eviction of the Jewish tenants, non-Jews moved into the flats/aparmtents.

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