Chinesische Küche: Peking-Ente

von Beate Schuhr

Kochen ohne Grenzen – In den Küchen unserer Nachbarn

Liebe Nachbarn,

wir gehen auf eine kulinarische Reise: Zunächst wenden wir uns der japanischen Küche zu und danach richten wir unser Augenmerk auf die chinesische Küche. Unser Ausflug beginnt im Waldstrassenviertel, in der Tschaikowskistraße, im Jahr 1982. Hier lebt Andreas mit den Eltern und in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Großeltern. Andreas beginnt unser Gespräch mit der Bemerkung, er habe bis zum Alter von 16 Jahren mit dem Kochen nicht allzu viel am Hut gehabt. Warum auch? Mutter und Großmutter kochen schlesisch und das sehr gut.

Dann wird im März 1981 zur Leipziger Frühjahrsmesse das Restaurant Sakura im damaligen Hotel Merkur eröffnet. Auf einmal ist die japanische Küche in Leipzig zu Gast. Kostspielig zwar, aber erreichbar. 1982 ist es soweit: Andreas besucht mit den Eltern das Restaurant Sakura. Lassen wir Andreas erzählen: „Das war eine völlig andere Welt: Die Ruhe im Restaurant, der Duft der warmen Handtücher, die zur Reinigung der Hände gereicht wurden und der Blick aus den großen Fenstern auf die Kirschbäume im Innenhof.“ Die Faszination des 16-jährigen Teenies ist immer noch deutlich spürbar. „Als Vorspeise gab es Seetang-Suppe. Seetang! Das war etwas, das in Ahrenshoop am Strand herumlag, wenn Sturm war. Und jetzt war das plötzlich eine klare Suppe. Danach gab es Sukiyaki, eine Art Fondue, bei dem Rindfleisch, Tofu und Gemüse  – alles hauchdünn geschnitten – bei Tisch in einer Brühe gekocht werden. Vor dem Essen werden die Zutaten in eine Schale mit verquirltem Ei getunkt. Das war eine neue Küche. Sauber und ehrlich, voller Respekt vor den Lebensmitteln. Nach diesem Restaurant-Besuch habe ich angefangen zu kochen.“

Bei aller Begeisterung frage ich jetzt doch nach der Verfügbarkeit der Zutaten. „Ich hatte mir die Speisekarte aus dem Sakura mitgenommen und habe versucht, die Gerichte nach den Kurzbeschreibungen auf der Karte nachzukochen. Sojasauce und Mungobohnen-Sprossen gab’s in den Delikat-Läden und den Rest habe ich improvisiert.  Ich habe mir die japanische Schneidetechnik für Gemüse beigebracht und alles zubereitet, von dem ich dachte, das ist irgendwie japanisch. Und dann hatte ich noch ein tschechisches Kochbuch…“ „Mit japanischen Rezepten?“ Andreas lacht: „Böhmisch-Japanisch.“

Wir machen einen Zeitsprung. Andreas erweitert sein Küchenrepertoire: Italienische Gerichte kommen dazu und eigene Rezepte entstehen. Anfang der 90er Jahre findet das erste Peking-Enten-Experiment statt. Die Vorbereitung der Enten ist professionell, das Ergebnis beeindruckend und die Gäste sind begeistert. Der Gasherd hingegen übersteht die Zubereitung nicht. Er ist an einem Übermaß an Entenfett und Marinade einfach erstickt.

Vor kurzem aber sind wieder zwei Peking-Enten perfekt gelungen, der Herd ist auch noch ok – und wir bekommen das Rezept.

Chinesische Küche: Peking-Ente

Die Peking-Ente gehört zu den berühmtesten Gerichten der chinesischen Küche. Das aufwändige Original-Rezept stammt aus der Zeit der Ming-Dynastie (14. – 17. Jahrhundert). Andreas hat das Rezept glücklicherweise an einen europäischen Privathaushalt angepasst.

Zunächst die Ente ausnehmen und mit der Brust nach unten in den Bräter legen. In einem halben Liter kochendem Wasser bei geschlossenem Deckel 20 Minuten dämpfen.

 

Vier Tage lang viermal täglich einpinseln

Vier Tage lang viermal
täglich einpinseln

Pro Kilo ungefähr eine Stunde braten und immer wieder einpinseln

Pro Kilo ungefähr eine Stunde braten
und immer wieder einpinseln

Danach wird die Ente mit der Halsöffnung nach unten in einem kühlen und trockenen Raum aufgehängt. Dafür eignet sich ein trockener, gut belüfteter Keller. Die Raumtemperatur darf maximal 15° Celsius betragen. Ein großes Gefäß mit der Marinade (und als Auffangbehälter) unter der Ente platzieren und dann geht‘s los: Vier Tage lang wird die Ente viermal täglich mit der Marinade aus 250 Gramm Honig, einem viertel Liter Sojasoße und einem viertel Liter Sake eingepinselt. „Und ja, sie muss riechen.“ Gut, zu wissen.

Bevor die Ente gebraten wird, setzt Andreas noch einmal frische Marinade aus drei Esslöffeln Honig und drei Esslöffeln Sake an. Jetzt den Herd auf 190° Celsius vorheizen, den Bräter auf den Backofenboden stellen, die Ente mit dem Rücken nach unten auf den Bratrost legen und 45 Minuten braten. Dann die Hitze auf 150° Celsius reduzieren und die Ente mit der Brust nach unten auf dem Bratrost weitere 30 Minuten braten. Danach wieder auf den Rücken drehen und bei eingeschalteter Grillfunktion in 30 Minuten zu Ende braten. Während der gesamten Bratzeit immer wieder mit der neu angesetzten Marinade bestreichen.

Nun zu den Beilagen: Porree, Möhren, Paprika in dünne Streifen schneiden. Für die Fladenbrote 200 Gramm Mehl und eine Prise Salz mit etwas warmem Wasser und Speiseöl mischen, Fladen formen, in der Pfanne kurz in Öl ausbacken und beiseite stellen. Zum Servieren die Ente tranchieren und in mundgerechte Streifen schneiden. Mit dem Gemüse, den Fladen und verschiedenen Dips anrichten. Als Dips eignen sich Soja-, Hoisin- und Curry-Sauce oder ein sehr frisches (!) aufgeschlagenes rohes Ei.

War’s das jetzt? Können wir essen? „Nein“, antwortet Andreas, „wir genießen! Man wickelt Gemüse und Ente in den Fladen, tunkt ihn in die Dips und schwelgt.“

Manchmal muss einfach alles passen. So wie 1982 im Sakura: „Die ruhige Atmosphäre, die Musik und das Ambiente – von der Türklinke bis zur Serviette hat alles gestimmt.“

Andreas hat die Suche nach dem stimmigen Gesamteindruck längst zum Beruf gemacht. Er ist Inhaber einer Werbeagentur. Aber das ist eine andere Geschichte.

Author: Beate Schuhr

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